Geschichte des Zuckers

Das Zuckerrohr und die Anfänge der Zuckergewinnung

Rohzuckergewinnung.

Die Herkunft des deutschen Wortes Zucker führt, wie auch die ersten Belege der Nutzung des Zuckerrohrs zum Süßen, nach Indien. Wortursprung ist das altindische śárkarā, das zunächst einmal alles Zerriebene oder Körnige bezeichnete und dann auf die trockene, körnige Masse des Zuckers übertragen wurde. Betrachtet man die weitere Entwicklung hin zu unserem heutigen Begriff, so scheint es, als würde man den Weg des Rohrzuckers nach Deutschland verfolgen.

Mit dem Indienfeldzug Alexanders des Großen gelangte das altindische Wort ins Griechische und wurde zu sakcharon, wovon sich der lateinische Begriff saccharum ableitete. Daraus entstand der heute verwendete Fachbegriff Saccharose, der die pflanzlichen Zuckerarten bezeichnet. Ebenfalls aus dem Altindischen entlehnt wurde das arabische Wort sukkar, das mit der arabischen Herrschaft im Mittelalter nach Spanien und Sizilien kam und so Eingang in die romanischen Sprachen, wie Spanisch (azúcar), Französisch (sucre und davon abgeleitet das englische sugar) und Italienisch (zucchero) fand. Mit dem Zuckerhandel von Venedig aus gelangten schließlich sowohl der Zucker selbst als auch dessen Bezeichnung nach Deutschland, wo aus dem italienischen zucchero das Wort Zucker wurde.

Ab 8000 v. Chr.
Von Neuguinea breitet sich die Zuckerrohrpflanze bis nach Indien und Persien aus.

327-325 v. Chr.
Durch den Indienfeldzug Alexanders des Großen wird das Zuckerrohr auch im antiken Europa bekannt.

600 n. Chr.
In Persien wird eine Methode zur Gewinnung von Zucker aus Zuckerrohr entwickelt.

Ca. 650-750
Durch arabische Eroberungszüge kommt das Zuckerrohr nach Zypern und Sizilien und wird dort angebaut. Später wird auch in Spanien Zuckerrohr kultiviert.

Ab 1096
Auf dem Ersten Kreuzzug lernen die Kreuzfahrer aus Mitteleuropa das Zuckerrohr kennen und eignen sich die Methoden der Zuckergewinnung an. Erstmals gelangt regelmäßig Zucker nach Europa, wobei die venezianischen Kaufleute den Zuckerhandel bis etwa 1500 dominieren.

15. Jh.
Das Zuckerrohr wird auch auf den Azoren und den Kanarischen Inseln angebaut.

1492
Kolumbus bringt auf seinen Entdeckungsreisen das Zuckerrohr in die Neue Welt und legt damit den Grundstein für die Rohrzuckerindustrie auf dem amerikanischen Kontinent.

1573
In Augsburg wird die erste deutsche Zuckerraffinerie errichtet, weitere folgen bald.

17./18. Jh.
England, Frankreich und die Niederlande dominieren die Zuckerherstellung und den –handel. In allen bedeutenden europäischen Handelsstädten entstehen Zuckerraffinerien.

1790er Jahre
Der Sklavenaufstand auf Santo Domingo führt zum Kollaps der dortigen Zuckerindustrie. Damit fällt der weltweit größte Zuckerproduzent aus und es kommt zu einem enormen Anstieg des Zuckerpreises.


Die Entdeckung der Zuckerrübe – eine Revolution in der europäischen Zuckerproduktion

Der enorme Zuckerpreisanstieg, verursacht durch das Erliegen der Rohrzuckerproduktion auf San Domingo, dem weltweit größten Zuckerproduzenten Ende des 18. Jahrhunderts sowie die napoleonische Kontinentalsperre, durch die das europäische Festland vom englischen Rohrzuckerhandel abgeschnitten wurde, führten dazu, dass in ganz Europa zunehmend nach Zuckersurrogaten aus einheimischen Pflanzen gesucht wurde.

Für Versuche wurden verschiedene Pflanzen herangezogen, unter anderem Weintrauben, Mais, Ahorn und Esskastanien. Schließlich gelang es dem preußischen Chemiker Andreas Sigismund Marggraf, den im Zuckerrohr vorkommenden Zucker auch in der Rübe nachzuweisen – und damit begann eine spannende Erfolgsgeschichte.

Abbildung einer Zuckerrübe.

1747
Andreas Sigismund Marggraf entdeckt, dass die Runkelrübe den gleichen Zucker enthält wie das Zuckerrohr. In den folgenden Jahren veröffentlicht er seine Forschungsergebnisse und wird zum Leiter des Chemischen Laboratoriums ernannt, später sogar zum Direktor der Physikalischen Klasse der Preußischen Akademie der Wissenschaften in Berlin.

1761
Nach weiteren Versuchen legt Marggraf dem preußischen König selbst produzierten Zucker aus Rüben vor.

1799
Franz Carl Achard, ein Schüler Marggrafs, setzt die Arbeiten seines Lehrers mit Zuckerrüben fort und bemüht sich weiter um die praktische Umsetzung. Auch er legt dem preußischen König Friedrich Wilhelm III. Zuckerproben vor. Der Monarch fördert die Forschungen Achards im größeren Stil.

1800
Die Schlesische Gebirgsraffinerie in Hirschberg verarbeitet erstmals Runkelrüben und liefert so unabhängig von Achard den Beweis der Raffinierbarkeit von Rübenzucker.

1801
Achard lässt in Cunern/Schlesien die erste Rübenzuckerfabrik der Welt errichten und veröffentlicht in der Folgezeit mehrere Schriften zur Zuckerfabrikation aus Runkelrüben, die sich in ganz Europa verbreiten. Neben den produktionstechnischen Aspekten beschäftigt sich Achard auch mit der Rübenzucht. Alle heute bekannten Zuckerrübensorten gehen ursprünglich auf die Züchtungen des Forschers zurück.

1805/06
Freiherr Moritz von Koppy errichtet auf seinem Gut im schlesischen Krayn eine Rübenzuckerfabrik. Dabei wird er technisch und wissenschaftlich von Achard unterstützt. Durch ihre Zusammenarbeit und Koppys Idee, auch die „Abfallprodukte“ der Zuckerproduktion zu verwerten, entwickelt sich diese Fabrik zur ersten, die Gewinne erwirtschaften kann. 1811 wird die Produktionsstätte durch ein Feuer zerstört und erst drei Jahre später kann Koppys Sohn die Zuckererzeugung in Krayn wieder aufnehmen.

1806-1813
Durch die napoleonische Kontinentalsperre kommt es zur Abschottung weiter Teile Kontinentaleuropas vom englischen Kolonialwarenhandel. Dies gibt der Rübenzuckergewinnung großen Aufwind und es entstehen zahlreiche Rübenzuckerfabriken. Durch Napoleons rübenzuckerfreundliche Gesetzgebung wird diese Entwicklung zusätzlich befördert und es findet ein reger Austausch zwischen Achard und vielen Unternehmern aus ganz Europa statt.

1818/19
Nach der Aufhebung der Kontinentalsperre blüht der Rohrzuckerhandel wieder auf und die Zuckerpreise fallen auf etwa ein Drittel der Preise. Nach und nach stellen die unrentabel gewordenen deutschen Rübenzuckerfabriken ihren Betrieb wieder ein.

Nach der Kampagne 1821/22
Als letzter deutscher Rübenzuckerfabrikant stellt Georg Friedrich Wilhelm von Koppy den Betrieb seiner vom Vater ererbten Fabrik in Krayn ein und widmet sich der Rübensamenzucht. Die vor allem in Frankreich und Belgien beliebte Rübensorte Betterave de Koppy oder Betterave de Silésie entstammt seiner Zucht.


Die Industrialisierung und der Siegeszug der Zuckerrübe

Zuckerfabrik Waghäusel, 1837.

1820er
Im Gegensatz zu Deutschland wird die Rübenzuckerproduktion in Frankreich weiterhin staatlich gefördert und so bleibt dieser Industriezweig dort bestehen. So ist es auch nicht verwunderlich, dass bedeutende Innovationen, wie die Entwicklung der Saftgewinnung durch Mazeration von Mathieu de Dombasle, aus Frankreich stammen.

1829
In Kirchwiedern/Mähren gründet k.k. Oberleutnant Franz Grebner die erste österreichische Rübenzuckerfabrik nach Aufhebung der Kontinentalsperre. Sie wird später in das nahe gelegene Datschitz verlegt, wo ihr Direktor Jakob Christoph Rad den Würfelzucker erfinden wird.

1834
In Quedlinburg gründen die Brüder Louis und Carl Hanewald gemeinsam mit Conradin Friedrich Eduard Zier und Ernst Wilhelm Arnoldi eine Zuckerfabrik und vermarkten das dort angewendete Zuckergewinnungsverfahren. Damit wird die Gründung von mehr als 100 Rübenzuckerfabriken angeregt.

1837
Gründung der badischen Gesellschaft für Zuckerfabrikation in Waghäusel. Sebastian Schuzenbach entwickelt hier ein Verfahren, bei dem die Zuckerrüben vor der Zuckergewinnung durch Trocknen konserviert werden. Hierdurch kann ganzjährig Zucker produziert und eine bessere Ausnutzung der Fabrikanlagen gewährleistet werden.

1847
Eilhard Mitscherlich entwickelt ein handliches Polarimeter, das anschließend in nahezu jeder Zuckerfabrik zur Zuckerbestimmung verwendet wird.

1848
Erster Einsatz eines Dampfkessels in der Zuckerindustrie.

Ab ca. 1850
Der Konkurrenzkampf zwischen Rohr- und Rübenzucker führt zu einem drastischen Preisverfall. So wird Zucker für die breite Masse erschwinglich.

1850
Als Reaktion der Zuckerfabrikanten auf die bereits 1841 eingeführte Rübensteuer wird in Magdeburg der Verein für die Rübenzuckerindustrie im Zollverein gegründet. Es handelt sich hierbei um den ersten deutschen Industrieverband.

1851
Erstmalig erscheint die Zeitschrift des Vereins für die Rübenzuckerindustrie im Zollverein. Diese und folgende zuckerbezogene Zeitschriften treiben die technischen Fortschritte enorm an, da hier namhafte Chemiker, Techniker und Unternehmer zu Wort kommen, bisherige Erfahrungen diskutiert und weitere Forschungen angeregt werden.

1865
Julius Robert entwickelt die Diffusionsverfahren zur Saftgewinnung und schafft damit die maßgebliche Voraussetzung der Entwicklung der Zuckerfabriken zu Großbetrieben.

1867
In Berlin wird das Forschungsinstitut für die Zuckerindustrie gegründet.

Um 1880
40 % des europäischen Rübenzuckers werden im Kaiserreich produziert, damit ist der Zucker das Hauptexportprodukt des Reiches.

1885
Gründung der Zucker-Berufsgenossenschaft.

1891
Gründung des Vereins der Rohzuckerfabriken im Deutschen Reich.

1897
Zusammenschluss der gesamten deutschen Zuckerindustrie zum Verein der Deutschen Zuckerindustrie sowie Bildung des Syndikats der Rohzuckerfabriken. Ein Jahr später folgt das Syndikat der Raffinerien.
Gründung der Internationalen Kommission für Einheitliche Methoden der Zuckeruntersuchung (ICUMSA) in Hamburg auf Anregung Alexander Herzfeldes.

1902
Abschluss der Brüsseler Zuckerkonvention. Erst dieses internationale Handelsabkommen, unterzeichnet von den wichtigsten Rüben- und Rohrzuckerproduzenten, beendet den ruinösen Prämienwettlauf und garantiert den Zuckerproduzenten ihren nationalen Markt. Kartelle und Exportprämien werden abgeschafft.

1914-18
Erster Weltkrieg: Die ab 1915 staatlich gelenkte Kriegswirtschaft schränkt den Rübenanbau, insbesondere zugunsten des Anbaus von Brotgetreide, stark ein. Arbeitermangel, Preissteigerungen für Hilfsstoffe, die schlechte Bezahlung der Rüben und ein niedriger Zuckerpreis lassen den Rübenanbau in Deutschland um über 25 % zurückgehen. Zum Ende des Krieges wird in Europa noch ein Drittel der Vorkriegsmenge an Zucker gewonnen.

1920
Die Badische Gesellschaft für Zuckerfabrikation in Waghäusel und die Zuckerfabrik Frankenthal schließen sich zu einer Interessengemeinschaft zusammen. Kurz darauf schließen sich auch die Zuckerfabriken Heilbronn, Stuttgart und Offstein mit ihren Betrieben an.

1926
Gründung der Süddeutschen Zucker-Aktiengesellschaft mit Sitz in Mannheim durch die Zuckerunternehmen der Interessengemeinschaft.



Ausstellungs-Tipp: "Alles Zucker! Nahrung - Werkstoff - Energie" - Dauerausstellung im Deutschen Technikmuseum, Berlin

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