Südzucker lässt eigene NS-Geschichte aufarbeiten

Mannheim, 27.09.2024 145.76 kB

Mit einer wissenschaftlichen Tagung im MARCHIVUM Mannheim, zu dem die Frankfurter Gesellschaft für Unternehmensgeschichte (GUG) eingeladen hatte, setzte Südzucker am 26. September 2024 den Auftakt für eine öffentliche und aktive Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit in der Zeit des Nationalsozialismus. Südzucker hatte bereits im Jahr 2022 den Göttinger Historiker Prof. Dr. Manfred Grieger beauftragt, die Unternehmensgeschichte zwischen 1933 und 1945 wissenschaftlich zu untersuchen. Seine Studie wird im Frühjahr 2025 als Buch im Wallstein Verlag erscheinen. In seinem Vortrag in Mannheim stellte Prof. Grieger seine bisherigen Forschungsergebnisse erstmals einem wissenschaftlichen Fachpublikum und Führungskräften der Südzucker-Gruppe vor. Inhaltlicher Schwerpunkt war, wie der Konzern im NS-Regime agiert hat. Bei einer anschließenden Podiumsdiskussion erklärte Südzucker-CEO Dr. Niels Pörksen, dass das Unternehmen seine historisch gewachsene Verantwortung ernst nimmt und positionierte sich im Namen von Südzucker für Demokratie und gegen Ausgrenzung.

Prof. Griegers Vortrag und seine Studie beschäftigen sich mit der Frage, welchen Nazifizierungsgrad das Unternehmen nach 1933 erreichte, aber auch damit, welche Reibungen es mit der NSDAP sowie deren Funktionären und Regulierungsstellen, etwa dem Reichnährstand, gab. Außerdem stehen der Umgang mit jüdischen Anteilseignern und die Verdrängung von Juden aus den Unternehmensorganen im Fokus. „Hier zeigte sich sehr deutlich, dass das Unternehmen oder seine Manager die Vorteile nutzten, die das NS-Regime ihnen ermöglichte“, ordnete Prof. Grieger in seinem Vortrag das Verhalten der damaligen Geschäftsführung ein.

Ein weiteres zentrales Thema, dem sich Prof. Grieger widmete, ist das Unternehmenshandeln in der Kriegswirtschaft und hier insbesondere der Umgang mit Zwangsarbeiterinnen und -arbeitern. Diese wurden überall im Konzern, sei es in der Landwirtschaft oder in den Zuckerfabriken, in großer Zahl eingesetzt - Kriegsgefangene ebenso wie osteuropäische „zivile“ Arbeitskräfte. Mit der Beschäftigung von zwangsverpflichteten deutschen Juden oder Sinti und Roma, beispielsweise in der Zuckerfabrik Stuttgart, „überschritt das Unternehmen eine weitere Grenzlinie“, führte Prof. Grieger aus. Beim Einsatz von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern zeigte sich der vorherrschende Arbeitskräfteopportunismus besonders deutlich: „Unternehmen, also Unternehmer und Manager, sahen in der staatlich organisierten Bereitstellung von ausländischen Ersatzarbeitskräften minderen Rechts eine unhinterfragte Möglichkeit, ihre Produktion oder Geschäfte fortzusetzen oder gar auszuweiten. Bei der Süddeutschen Zucker-AG, der Vorläufergesellschaft der heutigen Südzucker AG, war während der Kampagne der Ausländeranteil an der Belegschaft mit mehr als der Hälfte sogar noch weit höher der reichsweite Durchschnitt, der 1944 bei rund einem Viertel lag. Es zeigte sich, dass die Fortsetzung der Zuckererzeugung im Krieg ganz wesentlich auf Zwangsarbeit basierte. Damit stand das Unternehmen stellvertretend für die zunächst als Provisorium doch alsbald auch als Dauerlösung des Arbeitskräftemangels dienende Ausbeutung unfreier Arbeiterinnen und Arbeiter.“

Prof. Griegers Vorstellung der Studienergebnisse wurde eingeleitet von einem Vortrag von Prof. Dr. Dirk Schaal von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, dem ehemaligen Leiter des Unternehmensarchivs der Südzucker AG. Er widmete sich der „Konsumgeschichte des Zuckers in Deutschland Ende des 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts“ und rahmte den von Prof. Grieger bearbeiteten Zeitraum in einen größeren Kontext ein.

Mit dem Wissen um die Vergangenheit verantwortungsvoll nach vorne blicken

Die Tagung beschränkte sich aber nicht nur auf die historische Betrachtung der Rolle der Südzucker im Nationalsozialismus, sondern richtete ihren Blick ebenfalls stark auf die Gegenwart und die Zukunft: Bei einer Podiumsdiskussion sprachen der Südzucker-Vorstandsvorsitzende Dr. Niels Pörksen, Johanna Sokoließ von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) und Prof. Grieger unter Moderation von Dr. Andrea Schneider-Braunberger, Geschäftsführerin der GUG, über die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen, die sich aus dem Wissen über die eigene Geschichte und die eigene Verstrickung mit dem NS-System heute ergibt.
Dr. Pörksen positionierte sich im Namen der Südzucker-Gruppe und nahm Bezug auf die Verpflichtungen für die Gegenwart und Zukunft: „Wir sind uns unserer historisch gewachsenen Verantwortung bewusst, wir nehmen sie an und wir nehmen sie ernst. Die Auseinandersetzung mit unserer Unternehmensgeschichte in der Zeit des Nationalsozialismus ist hier ein wichtiger und notwendiger Schritt. Mit dem Wissen um die Vergangenheit blicken wir nun auf die Gegenwart und die Zukunft. Als Südzucker-Gruppe stehen wir fest und unmissverständlich für Menschenrechte und die Werte der freiheitlich demokratischen Grundordnung ein. Jegliche Formen von Ausgrenzung, Diskriminierung und Extremismus haben bei uns keinen Platz.“

Die Wahrnehmung von sozialer Verantwortung und die Achtung der Menschenrechte sind integrale Bestandteile der Geschäftstätigkeit der Südzucker-Gruppe. Beides nimmt in dem Nachhaltigkeitsleitbild, das in den letzten Jahren erarbeitet wurde und dem sich die Südzucker AG verpflichtet hat, eine zentrale Position ein. Das Unternehmen wird daher noch in diesem Jahr erstmals das Programm „Informiert, couragiert, engagiert! Eine gemeinsame Initiative gegen Antisemitismus“ der Stiftung EVZ umsetzen. Damit füllt die Südzucker AG nicht nur das Nachhaltigkeitsleitbild mit Leben, sondern bezieht auch Stellung gegen Antisemitismus. Das Programm ist kostenlos und kombiniert als Blended-Learning-Format Präsenz- und E-Learning-Inhalte. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erarbeiten darin Wege, Antisemitismus zu erkennen und darauf zu reagieren und sollen als Multiplikatoren ihr neu erworbenes Wissen in das Unternehmen tragen.
 

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